Aufgabenstellung
In einem Beratungsprojekt für ein österreichisches Pharma-Unternehmen sollte ein Modellvorschlag für ein einheitliches Prämiensystem für alle gewerblichen Mitarbeiter erarbeitet und ein Maßnahmenplan für die Umsetzung erstellt werden.
Ausgangssituation in der Fertigung
Das Pharma-Unternehmen stellt Medizinprodukte für Kunden weltweit her. Dazu gehören Kanülen und Kanülen-Systeme.
Derzeit arbeiten in der Fertigung ca. 160 gewerbliche Mitarbeiter/innen im Zwei- bzw. Dreischichtbetrieb.
Die Basis für die Leistungsvorgaben bildet ein Arbeitswertekatalog. Nicht für alle Tätigkeiten sind Arbeitswerte vorhanden.
Die Mitarbeiter/innen melden am Schichtende ihre (gebrauchte) Arbeitszeit auftrags- und arbeitsgangbezogen zurück. Die anteiligen Arbeitszeiten werden in der Eingabemaske des Tagesprotokolls personenbezogen erfasst und täglich in das ERP-System übernommen. Im ersten Halbjahr 2016 wird ein BDE-System zur Datenerfassung eingeführt.
Die Gutteilquote in der Metallbearbeitung beträgt nach Einschätzung der Mitarbeiter/innen ca. 80 %. Probleme bei der Qualität entstehen unter anderem durch Materialgüteschwankungen beim Ausgangsmaterial und Mängel bei Zulieferteilen (Korea, Polen) sowie technisch bedingte schwankende Bearbeitungsqualität an den Schleifmaschinen. Diese sollen kurz- bis mittelfristig ersetzt werden.
Es kommen aktuell zwei Entlohnungsgrundsätze im Unternehmen zur Anwendung: Leistungslohn und Zeitlohn. Im Leistungslohn wird der Stückakkord angewendet. Die Daten für die Akkordabrechnung stammen aus den rückgemeldeten Stückzahlen und Zeiten der Mitarbeiter/innen und den im Arbeitswertekatalog hinterlegten Arbeitswerten (AW).
Die Ist-Zeit der Aufträge wird täglich von den Mitarbeitern/innen manuell ins Tagesprotokoll zurückgemeldet.
Entgeltmodell
Auf Basis dieser Ausgangssituation wurde ein Vorschlag für ein Entgeltmodell erarbeitet. Dabei wurde folgender theoretischer Ansatz verfolgt:
- Zeitentgelt,
– wenn der Anteil der Lohnkosten an den Gesamtkosten gering ist,
– bei hohen Qualitätsanforderungen,
– bei hohem Anteil an Überwachungstätigkeiten,
– wenn Vorgabedaten nur mit wirtschaftlich nicht vertretbarem Aufwand zu ermitteln sind (Instandhaltung, typische Einzelarbeiten),
– bei Vorliegen hoher Unfallgefahr oder
– wenn geistige, leitende oder allgemeinbeaufsichtigende Tätigkeiten vorliegen. - Prämienentgelt,
– wenn das beeinflussbare Bezugsmerkmal feststeht,
– wenn das Leistungsergebnis für das jeweilige Bezugsmerkmal – z. B. Zeit-, Stück-, Kilo-, Liter-, m²-Anzahl für Menge, %-Satz für Nutzung, Fehlerhäufigkeit oder Ausschuss für die Qualität – innerhalb des Bezugszeitraums sachlich erfassbar ist,
– wenn ein Vergleichsmaßstab (Vorgabe) = Ausgangsleistung bzw. Normleistung vorhanden ist,
– wenn die Leistungsspanne und die Leistungsobergrenze dem angestrebten Optimum entsprechen (Leistung muss erreichbar sein), oder
– wenn das System möglichst einfach und für den Mitarbeiter transparent gestaltet ist.
Empfehlungen von REFA in Austria
Aufgrund der Ausgangssituation bei dem Pharma-Unternehmen und unter Berücksichtigung der Entlohnungsgrundsätze empfahlen die Experten von REFA in Austria folgende Maßnahmen:
- Prämienentgelt auf eine belastbare Basis stellen.
- Arbeitsplätze des Unternehmens in ein zu entwickelndes betriebliches Entgeltgruppensystem eingruppieren.
- Arbeitsplatzbeschreibungen / Anforderungsanalyse
- System von Entgeltgruppen mit Entgelten
- Eingruppierung der Arbeitsplätze in das System
- Bei der Leistungsentlohnung die Kennzahl Zeitproduktivität wählen.
- Als Grundlage für die Vorgabezeiten den Arbeitswertekatalog nutzen.
- Für alle planmäßigen Arbeitsgänge Arbeitswerte bilden.
- Für die Anwesenheitszeiten die Zeiterfassung „Kommen & Gehen“ nutzen.
- Auch die indirekten Mitarbeiter der Wertschöpfungskette in das Prämiensystem einbeziehen.
- Prämie als Gruppenprämie ausgestalten.
REFA in Austria spricht nicht nur Empfehlungen aus, sondern begleitet auch bei der Einführung und Umsetzung. Dazu wurde in diesem Projekt folgender 11-Punkte-Plan aufgestellt.
- Aufbau Entgeltgruppensystem auf Basis Arbeitsplatzanforderungen
- Aktualisierung / Ergänzung der Datenbasis
- Bestätigung der Kennzahl(en) für das Leistungsentgelt
- Bildung der Prämiengruppen
- Entwicklung und Programmierung der Auswertungsszenarien
– Kennzahlenauswertung
– Prämienmodell / Prämienberechnung (Kennlinie)
– Entgeltabrechnung - Ermittlung der Basisproduktivität
- Durchführung einer Schattenrechnung (Wirtschaftlichkeitsnachweis)
- Testphase und Durchführung von Korrekturmaßnahmen
- Bestätigung des Modells
- Information und Einweisung der Mitarbeiter/innen
- Einführung des Entlohnungsmodells